Mehrdimensionalität der Wirklichkeit

Sein-Magazin 272, 4/2018

Stell dir vor, du gehst mit einer Gruppe durch Berlin, machst an einem bestimmten Ort halt, lässt dich auf diesen Ort ein, lauschst seinen Botschaften und gehst zusammen mit den Menschen dieser Gruppe und dem Ort durch einen gemeinsamen Transformations- und Heilungsprozess, der sich bis auf kollektive gesellschaftliche Ebenen ausdehnen kann. Dies ist – kurz gesagt – das, was das Wirken von Geomantie Berlin, der Berliner Geomantiegruppe, seit mehr als zwanzig Jahren ausmacht. Ein Einblick von Susanne Lutz.

Bei den heutigen Stadtentwicklungsprozessen werden unterschiedlichste Interessen und Belange mitberücksichtigt, sei es Landschafts-, Umwelt- und Klimaschutz oder die Verkehrssituation. Auch die Beteiligung der Bürger ist inzwischen selbstverständlich geworden. Nur einer wird nicht gefragt – und das ist der Ort selbst. Was auf den ersten Blick absurd anmutet, stellt auf den zweiten Blick die Chance eines Perspektivwechsels dar. Seit Jahrtausenden ist es bei indigenen Völkern und alten Kulturen selbstverständlich, dass Orten eine ganz bestimmte Identität und spirituelle Wesenheit zugeordnet wird.

Jede dieser Entitäten hat ihren ganz eigenen Charakter, gebildet aus den ganz spezifischen Natur- und Erdkräften vor Ort. Beispielsweise existierte bereits in der Antike das Bewusstsein für die besondere Wesenheit eines Ortes. Selbst der als rationaler Philosoph und Denker bekannte Sokrates gab zu, dass er an einem vor den Toren Athens am Ilissos-Fluss gelegenen Nymphen-Heiligtum in ekstatische Zustände verfiel. Noch bis in die Neuzeit hinein empfand man die Natur als ein lebendiges Gegenüber.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstand beispielsweise der „Neue Garten“ in Potsdam, der gleich einem mystischen Einweihungsweg gestaltet wurde, was von den Besuchern des Gartens, die sich auf den Kontakt mit diesem Ort einlassen, auch heute noch direkt nachempfunden werden kann. Mit dem Zeitalter der Aufklärung, zunehmender Industrialisierung und der Verwissenschaftlichung unserer Welt kam es dann mehr und mehr zu einer scheinbaren Trennung zwischen innerer und äußerer Welt, in der solche Interaktionen zwischen Mensch und Ort als Hirngespinste angesehen wurden.

Mit der Natur verbinden

Je stärker heute allerdings Natur und Umwelt zerstört werden, desto mehr entsteht das Bedürfnis, sich mit dem, was davon noch übrig geblieben ist, zu verbinden. Von vielen Menschen wird dieser anhaltende Entfremdungsprozess von Gaia – Mutter Erde als einem lebendigen Wesen – als ein ständig wahrnehmbarer und dennoch (fast) verdrängter Schmerz empfunden. Der US-amerika – nische Kulturphilosoph Charles Eisenstein bezeichnet das Empfinden dieses Schmerzes als etwas durchaus Positives, das uns zum Handeln für die Erhaltung der Natur animieren kann. Wie ist es nun möglich, einem Ort und seinen Wesenheiten auf einer tiefen mehrdimensionalen und für alle Beteiligten heilenden Ebene zu begegnen?

Das beste Wahrnehmungsorgan ist unser Körper, bestehend aus dem physischen Leib, dem Geist und der Seele. Wie ein Ort auf uns wirkt, kann sich zum Beispiel in bestimmten Körperempfindungen äußern. Oft kommen innere Bilder, Töne, ja selbst Geschmäcker hinzu. Derartige Manifestationen geschehen sowohl im inwendigen als auch im äußeren Raum. Selbst Shiva spricht in der Shiva Samhita von inneren Landschaften, die ihre Entsprechung in der äußeren Landschaft haben können. Das Universum befindet sich also sowohl im Innen als auch in Außen.

Wahrnehmung unterschiedlicher Informationsebenen

Der erfahrene Geomant kann diese Empfindungen deuten und richtig einordnen. Die Wahrnehmungen kommen dabei aus unterschiedlichen Informationsebenen. Es kann die ganz unmittelbare dreidimensionale Ebene sein, die beispielsweise Informationen über giftige Umwelteinflüsse gibt, was sich ganz gegenständlich durch einen unangenehmen Geschmack im Mund äußern kann. Derselbe Ort kann jedoch auf einer höheren Ebene gleichzeitig ein starker Kraftort sein, dessen Naturwesen blockiert sind. Auf der nächsthöheren Ebene könnten übergeordnete Wesenheiten darauf warten, dass wir Menschen erkennen, was dort an diesem Ort im Argen liegt, jedoch auch, welche Potenziale sich dort befinden. Es geht darum, gemeinsam mit den Naturwesen und der geistigen Welt ins Handeln zu kommen.

Dazu gibt es viele bewährte Methoden wie das gemeinsame Tönen. Es entstehen jedoch auch ganz spontan neue Herangehensweisen. Der Geomant, UNESCO-Friedenskünstler und Autor Marko Pogačnik hat zeitgemäße Methoden entwickelt, um mit Orten, ihren speziellen Qualitäten und Gaia, der Erde selbst, in Kontakt zu kommen. Die Erde und die Natur werden dabei als multidimensionale Wesenheiten verstanden, mit Akupunkturpunkten, Atmungsorganen, Meridianen und vielem mehr, was auch den menschlichen Körper ausmacht. Dadurch kann eine direkte Verbindung zur Mehrdimensionalität des menschlichen Wesens erfolgen. Der US-amerikanische Kulturökologe David Abram sagt zu dieser Art der Wahrnehmung: „Wann immer wir unter die Schicht der abstrakten Theorien der modernen Welt schlüpfen, finden wir uns in einem Netz von Beziehungen zu einer Vielzahl von Wesen wieder, die so geheimnisvoll und unergründlich sind wie wir selbst.

Heilende und transformierende Wirkung

Was sich sehr komplex anhört, ist dennoch so einfach gehalten, dass wirklich jeder Mensch sofort ohne Vorkenntnisse Orte auf diese Art und Weise erkunden kann. Es braucht heutzutage keine „Einweihung“ mehr, um eine spirituelle Erfahrung in der (Stadt-)Natur machen zu können. Jeder Mensch hat entsprechend seiner ganz persönlichen Geschichte einen ganz bestimmten Erfahrungsschatz, der durch diesen sich öffnenden heiligen Raum einer geomantischen Erkundung quasi angetriggert wird. Es ist dabei wichtig, dass dieser Erfahrungsschatz, der sich durch die Wahrnehmung offenbart, auch geäußert wird. Allein das Wahrnehmen und Aussprechen hat bereits eine heilende und transformierende Wirkung für Mensch und Natur. Somit ist diese Art geomantischen Wirkens cokreativ, meistens sehr interdisziplinär und interspirituell.

Dies bedeutet, dass die Teilnehmenden, die meistens aus den unterschiedlichsten beruflichen, spirituellen und weltanschaulichen Hintergründen kommen, aus dem Moment heraus ihren Beitrag einbringen. Oftmals genügt es auch einfach, nur die Achtsamkeit zu halten und die Dinge geschehen zu lassen. Vor der Gefahr, komplett den eigenen Projektionen aufzusitzen, schützt die Gruppenarbeit und das vielfältige Mosaik von Wahrnehmungen, das sich zu einem großen sinnbildenden Gesamtbild zusammensetzt. Natürlich ist diese Wahrnehmung ein subjektiver Akt, und dennoch werden bestimmte Situationen und Qualitäten von verschiedenen Menschen ähnlich wahrgenommen. Deshalb spricht man auch von einer Erfahrungswissenschaft.

Die Geomantie-Gruppe vor Ort

Im Laufe der Jahre, hat sich das Wirken von Geomantie Berlin weiter entwickelt. In der Hauptstadt Berlin gibt es viele Orte von gesamtdeutscher und überregionaler Relevanz. Diesen Orten gilt derzeit unser verstärktes Interesse. Detaillierte Erfahrungsberichte dazu würden jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen. Hier nur zwei Beispiele: Zu Beginn dieses Jahres statteten wir dem Bereich um das neu entstehende Humboldtforum, der Berliner Schlossbaustelle, einen Besuch ab. Als wichtigste Information zeigte sich den Teilnehmenden, dass die intereuropäisch-inter – kontinentale Ost-West-Achse von Berlin – also die Verlängerung der „Karl-Liebknecht-Straße“, der Straße „Unter den Linden“ und „Straße des 17. Juni“ Richtung Westen einerseits sowie der „Frankfurter Allee“ Richtung Osten andererseits – auf einmal eine andere Qualität bekommen hatte.

Jahrelang war die intereuropäische Verbindung nach Osten energetisch sehr präsent, jetzt zeigt sich seit Neuestem die Verbindung zum amerikanischen Kontinent sehr stark. Wir führen dies darauf zurück, dass bald das ethnologische Museum mit vielen heiligen Artefakten – insbesondere von südamerikanischen indigenen Völkern – hier mitten in Europa an dieser energetisch sehr wichtigen Kontinentalverbindung präsent sein wird. Hier besteht damit die Chance, dass das alte Wissen indigener Kulturen, das ja teilweise auch das Wissen unserer Ahnen ist, wieder präsenter wird – auch und vor allem, wenn diese Artefakte irgendwann einmal wieder an ihren Ursprungsort zurückgebracht werden. Es ist an diesem Ort bereits eine starke Vorfreude darauf spürbar.

Im Ostteil der interkontinentalen Achse, dem eine sehr sanfte und weibliche Qualität innewohnt, spürt man die zunehmende Bewusstwerdung, dass auch die Qualität der Verbindung zum amerikanischen Kontinent jetzt und für die nähere Zukunft sehr wichtig und essentiell sein wird.

Problem-Flughafen BER-Berlin

Auch die Baustelle des „Geisterflughafens“ BER-Berlin Brandenburg besuchten wir bereits dieses Jahr im März. Wir erforschten, welche Geheimnisse dieser Ort birgt und was seine Fertigstellung verhindert – jenseits der bekannten Begründungen. Aus geomantischer Sicht spielt dabei das im Rahmen der Baumaßnahmen umgesiedelte Dorf „Diepensee“ eine wichtige Rolle. Hier hilft für einen tieferen Blick die Arbeit des Psychologen Carl Gustav Jung, der den Begriff der Archetypen prägte, symbolhafte Bilder des kollektiven Unbewussten, die Schlüssel für den Blick auf andere Dimensionsebenen sein können.

Der Name Diepensee, also „Tiefer See“, lässt bereits auf einen Aspekt des in fast allen Kulturen präsenten Archetyps der dreigestaltigen Göttin schließen, und zwar in der verstärkten Ausprägung der „Schwarzen Göttin“. Darunter versteht man das Wissen um die Zyklen des Werdens und Vergehens in Beziehung zum als weiblich betrachteten Erdenkosmos: den jungfräulichen weißen Aspekt, den mütterlichen, roten Aspekt der Fülle und den schwarzen Aspekt der weisen Alten, die bereits schon wieder den Keim des Neuen in sich trägt. Tief ist gleichbedeutend mit dunkel, sehr tief im Erdreich. In der indischen Mythologie ist die schwarze Göttin auch als Kali bekannt. Sie hat also immer auch einen kompromisslosen und zerstörerischen Aspekt.

Wir fanden heraus, dass sich in Diepensee, wo es bereits vor 5.000 Jahren Besiedlungen gab, unter anderem ein prähistorisches Göttinnen-Heiligtum dieses schwarzen Aspekts befand, das jetzt vom Hauptgebäude des BER überdeckt ist, das die Energie des Heiligtums damit blockiert. Dies soll nur einen ganz kleinen unvollständigen Einblick in die Problematik vor Ort geben. Es erklärt, weshalb es, selbst bei der scheinbaren Berücksichtigung aller relevanten Planungsbelange, generell immer wieder – auch bei anderen Baumaßnahmen – zu Fehlplanungen kommt, zu weiterer Umweltzerstörung und sozialen Ungerechtigkeiten. Der Grund: Die Informationsebenen der höheren Dimensionen werden noch nicht berücksichtigt.

Die Zukunft: geomantische Stadtentwicklung

Im Moment entsteht gerade innerhalb unserer Gesamtgruppe eine neue Forschungsgruppe, die sich mit den Energien der Erdwandlung und den Energien der neuen Erde befasst. Viele Geomanten sind sich einig, dass auch die Erde sich mit der Zeit wandelt, vor allem jetzt mit der in vielen Kulturen beschriebenen Zeitenwende. Wie genau und welche Qualität dies sein wird, das muss noch erforscht werden. In Berlin und im Umland von Berlin entstehen bereits viele dieser sich immer weiter ausdehnenden Zonen mit ganz unterschiedlichen Qualitäten. Jeder, der sich an der Erforschung beteiligen möchte, kann sich gerne mit uns in Verbindung setzen. Wir bringen uns auch zunehmend bei Stadtentwicklungsprozessen mit ein. Nur eine Stadtentwicklung, die den Ort selbst mit einbezieht, ist eine wahrlich integrale und nachhaltige Stadtentwicklungspolitik. Unser Kernteam, interdisziplinär besetzt aus Stadtplanern, Künstlern, Architekten, Pädagogen und/oder heilerisch tätigen Menschen, berät zunehmend Stadtteilinitiativen, Gemeinschaftswohnprojekte, Parkprojekte usw …

Literatur
Marko Pogacnik: Universum des menschlichen Körpers, AT Verlag Aarau und München 2015
Robert Josef Kozljanic, Antike Heil-Ort-Rituale, Albunea Verlag, München 2004
Susanne Lutz, The multidimensional City, Berlin 2016